Ab Sonntag ist der britische Commedian Russell Brand für einige Termine mit seiner Show „The Messiah Complex“ in Deutschland und Österreich unterwegs. Brand hat in der letzten Zeit mit seinen Aufrufen zu einer „spirituellen Revolution“ für einigen Wirbel gesorgt. In der ersten Ausgabe von evolve haben wir uns seine Aufforderung zur spirituellen und politischen Transformation etwas genauer angeschaut:
In den letzten Wochen wurden auf Facebook und in Blogs ziemlich heftige Auseinandersetzungen über einen jungen Mann geführt, der zur Revolution aufrief: Schauspieler und Commedian Russel Brand hatte im britischen Fernsehen erklärt, noch nie gewählt zu haben und forderte jeden dazu auf, das Gleiche zu tun. Zum politischen Aspekt dieser Debatte hat John Bunzl in seiner Kolumne in dieser Ausgabe schon wichtiges gesagt. Aber weil die Diskussion sich für viele auf das Reizthema „Wählen oder nicht“ fokussierte, blieb ein anderer Aspekt von Brands Aufruf weniger beachtet. Brand ruft nicht nur zu einer politischen Revolution auf, als vielmehr vor allem zu einer spirituellen. In seinem Artikel für das linke Politmagazin The New Statesman schreibt er: „Für mich muss die Lösung primär spirituell sein und erst sekundär politisch … Mit spirituell meine ich die Erkenntnis, dass unsere Verbundenheit miteinander und mit dem Planeten das Wichtigste ist.“ In diesem Artikel legt er den linken politischen Kräften auch nahe, sich an die „spirituellen Prinzipen“ zu erinnern, die seiner Meinung nach der Idee des Sozialismus zugrunde liegen.
Auf Youtube kursieren mittlerweile Videos unter dem Titel „Time for a Spiritual Revolution“ oder „The only thing that matters to any of us is love“ (das immerhin fast 700.000 Leute gesehen haben), die ein Best-of der spirituellen Weisheiten Brands geben. Er spricht dort über seine Meditations- und Yoga-Praxis, über unendliches Bewusstseinspotenzial, das in uns allen vorhanden ist, über die schöpferische Energie in uns, die auch das gesamte Universum bewegt oder über den nächsten Evolutionsschritt des Bewusstseins über Egoismus und Gier hinaus und hin zu Liebe und Verbundenheit. Und daraus leitet er seinen politischen Aufruf ab, das bestehende System nicht mehr zu unterstützen, in dem die Gier und Unmenschlichkeit einer Wirtschafts- und Politikelite den Ton angibt. All das ruft Brand in messianischer Manier in die Welt, wobei er beim Austeilen an David Cameron & Co nicht gerade zimperlich ist und wenig liebevolle Worte benutzt. Sein neues Bühnenprogramm, mit dem er im Februar auch in Deutschland sein wird, heißt dann wohl auch ganz passend „The Messiah Complex“.
Was ist nun dran an Russsel Brands spirituellem Weckruf? Vor allem scheint er ein Beispiel für eine Geistesverfassung zu sein, die viele junge Menschen heute bewegt. Da ist die aufrichtige Sorge um den Planeten, angesichts von Umweltverschmutzung, gierigen Bankern, machtherrlichen Politiken. Und gleichzeitig eine Sehnsucht nach neuen Werten, wie Verbundenheit und auch spiritueller Innerlichkeit. Damit einhergeht aber auch eine gewisse Hilflosigkeit, wie diese Werte wirklich in die Welt kommen können. Brand selbst fordert die Menschen zu spiritueller Praxis und zum Protest auf: „Um wirklich etwas zu verändern, müssen wir uns verändern, mach diesen kleinen Wandel, der über das Bisherige hinausgeht. Lass uns meditieren, unsere Liebe unterschiedslos auf jeden und unsere Verachtung nur auf die Mächtigen richten. Lass uns aufbegehren, wie immer wir wollen, mit der Spontaneität der Randalierer von London, mit der Überzeugung und Opferbereitschaft der religiösen Fundamentalisten oder mit dem augenzwinkernden Witz des Narren. Wir sollten jeden mit aufnehmen, niemanden beurteilen, niemandem schaden. Die Revolution des Ackerbaus dauerte Tausend Jahre, die industrielle Revolution hunderte Jahre, die technologische Revolution Jahrzehnte und die spirituelle Revolution ist gekommen und wir müssen jetzt handeln.“
Mike Kauschke