An diesem Wochenende findet in San Francisco die Wisdom 2.0 Konferenz statt, zum Thema „Schnittpunkte von Technologie und Weisheit“. Unter den Sprechern sind Meditationslehrer uind Visionäre wie Jack Kornfield, Byron Katie, Otto Scharmer und Jon Kabat-Zinn. evolve-Redakteurin und Ko-Autorin von „Mit Achtsamkeit in Führung“ Nadja Rosmann ist vor Ort und berichtet hier über ihre Eindrücke und neue Trends an der Schnittstelle von Achtsamkeit und Technologie:
Wie kann man Anfängern Meditation näher bringen? Diese Frage beschäftigt inzwischen nicht nur spirituelle Lehrer, sondern auch die Wissenschaft. Auf der Wisdom 2.0 Konferenz in San Francisco lieferte Adam Gazzaley, Neurowissenschaftler an der University of California, eine verblüffende Antwort: mit Computerspielen! Unterstützt vom Meditationslehrer Jack Kornfield entwickelte er Meditrain, eine App, mit der an Meditation Interessierte ihre Fähigkeit zur Fokussierung üben können. Erleichtert wird ihnen das durch das unmittelbare Feedback, das die App nach dem Absolvieren der Übungen gibt. „Bei Einsteigern liegt die Aufmerksamkeitspanne gewöhnlich bei etwa 20 Sekunden. Mit Meditrain können sie diese kontinuierlich ausweiten. Meine Vision ist es, eine Art Neuro-Crossfit zu entwickeln. Die Videospiel-Technologie liefert uns einen Einstieg, einzelne Fähigkeiten des Gehirns gezielt zu trainieren“, so Gazzaley. Für spirituell Praktizierende mag das sehr funktionalistisch klingen, doch Jack Kornfield sieht in der Anwendung einen Wegbereiter. „Wenn ich als Meditationslehrer mit Anfängern arbeite, muss ich ihnen auch einzelne Schritte aufzeigen, wie sie beim Üben bei der Sache bleiben können“, so seine Einschätzung. Er fragte aber auch, wie sich aus diesen Basisfähigkeiten wirkliches Mitgefühl entwickeln lasse – und verwies auf die buddhistischen Traditionen, die über Jahrtausende entsprechende Praktiken kultiviert haben, um die menschliche Entwicklung als Ganzes zu fördern. Technologie ist vielleicht ein wunderbarer Wegbereiter, ersetzt es aber nicht, diesen Weg auch weiter zu gehen.
http://gazzaleylab.ucsf.edu/welcome/
Stille, Muse, Innenschau – für viele Menschen scheint dies ein Graus zu sein, betrachtet man die Zahl derer, die auf Schritt und Tritt mit mobilen Geräten über Apps und soziale Netzwerke den Draht zu ihren Freunden aufrechterhalten. „Wir haben uns daran gewöhnt, das Leben als ständigen News-Feed zu betrachten. Immer connected zu sein, lässt uns uns weniger allein fühlen“, so Sherry Turkle, Direktorin der MIT-Initiative „Technology and Self“ bei der Wisdom 2.0 Konferenz in San Francisco. Dabei nehmen viele Menschen gar nicht wahr, dass die vermeintlichen technischen Helfer ihre live gepflegten zwischenmenschlichen Beziehungen eher stören – selbst wenn sie gerade nicht aktiv genutzt werden. „Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen sich in einem Gespräch weniger miteinander verbunden fühlen, wenn ein Handy auf dem Tisch liegt – selbst wenn dieses ausgeschaltet ist“, so Turkle. Die Wissenschaftlerin plädiert für den Mut, Gesprächen wieder volle Aufmerksamkeit zu widmen und ihnen Raum zur Entwicklung zu geben. „Eine Unterhaltung braucht mindestens sieben Minuten, bis sie sich entfaltet. Die vermeintlich langweiligen Momente, in denen Stille herrscht und man vielleicht glaubt, sich zu langweilen, sind die Augenblicke, in denen Gespräche Substanz entwickeln“, erklärt sie. Ihre Schlussfolgerung: „Uni-Tasking ist das nächste große Ding!“
http://web.mit.edu/sturkle/techself/
Meditation scheint selbst in der Finanzwelt gerade voll im Trend zu sein. „Im Business denken viele Menschen, dass Ressourcen etwas sind, dass außerhalb von ihnen ist – zum Beispiel Geld oder Kontakte. Aber die inneren Ressourcen sind genauso wichtig“, so Golbie Kamarei, Global Program Manager für Client and Sales Excellence bei der Investmentgesellschaft Blackrock. Kamarei führte 2013 bei dem Finanzdienstleister ein Meditationsprogramm ein, an dem inzwischen 1.400 Mitarbeiter teilnehmen. Diese können wöchentlich 30 Minuten gemeinsam meditieren, werden durch E-Mails unterstützt, die ihnen Tipps rund um das Thema Achtsamkeit vermitteln, und haben die Möglichkeit, sich in Gruppengesprächen über Achtsamkeit am Arbeitsplatz auszutauschen. „Kreative Leistungen erwachsen aus dem Inneren der Menschen. Und durch Meditationsprogramme können Firmen diese inneren Ressourcen fördern, um das authentische Engagement der Mitarbeiter möglich zu machen“, so Kamareis Betrachtung. Vielleicht leisten Vorstöße wie dieser ja langfristig auch einen Beitrag zur Transformation des Finanzsektors – nicht durch behördliche Regulation, sondern weil Meditation die Haltung zur Welt verändert und vielleicht unethische Verhaltensweisen dann weniger erstrebenswert erscheinen lässt.
https://www.youtube.com/watch?v=lamHO28HmJg