In unserer Rubrik “Im Spektrum” stellten wir in der aktuellen Ausgabe von evolve auch der Politiologin und Autorin Dr. Regula Stämpfli die Frage:
Welche Möglichkeiten des politischen Wandels inspirieren Sie?
“Was wir im Moment beobachten ist eine gestiegene politische Sensibilisierung, die sich in den unterschiedlichsten Bewegungen zeigt. Während es unten rumort und überall Protestbewegungen sur place entstehen, versteinern sich indessen die klassischen politischen Institutionen. Das ergibt ein ziemlich gefährliches Gemisch. Schauen Sie auch auf Deutschland. Kommt die große Koalition zwischen SPD und CDU/CSU zustande, dann werden sehr turbulente Jahre auf uns zukommen. Denn da teilt sich die Opposition nicht mehr die Bundestagssitze, sondern manifestiert sich zwischen Volk und Regierung – ein ziemlich ungemütliches, wenn auch teilweise kreatives Szenario. Was wir im Moment beobachten sind Veränderungsansätze, welche auf eine versteinerte Elite aus Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft prallen. Möglichkeiten sind da, die politischen Gestaltungsräume scheinen aber durch Repression, Nicht-Reaktion auf Edward Snowden beispielsweise, verpasste ökologische Reformen, unglaubliche Sozialverengungen und rigide Asylgesetzgebungen immer kleiner und für Menschen brutaler zu werden.
Lange war ich der Überzeugung, dass Bildung und Informationen automatisch Veränderung bringen. Jetzt realisiere ich, dass es nicht mehr reicht, das Bewusstsein zu ändern, sondern dass es harte Machtkämpfe braucht, um die Menschen wieder an der politischen Gestaltungsmacht beteiligen zu können. Ich wünsche mir eine große Diskussion über existierende, wünschbare, historisch gelebte Menschenbilder. Jede Politik basiert auf einem ganz bestimmten Menschenbild. Was wir jetzt erleben ist die klassische Hobbes-Dystopie: „Der Mensch ist des anderen Menschen Wolf“. Wir erleben auch die biologisch-medizinisch motivierte Politik der „schönen neuen Welt“. Ich kann nur mit Christina von Braun (Der Preis des Geldes) sprechen, wenn sie einfach die Hoffnungen auf die Menschen setzt, die viel besser, gemeinwohlorientierter, sozialer und menschlicher handeln als die Medien uns dies vormachen.”