Erstes Forum Wirtschaft und Spiritualität
Peter Willer
Wirtschaft und Spiritualität – für viele scheinen diese Bereiche immer noch völlig unvereinbar zu sein. Dem Freiburger Berater Hans-Jürgen Lenz ist die Beziehung zwischen diesen beiden Dimensionen ein besonderes Anliegen und so lud er im Oktober 2019 im beschaulichen Kirchzarten bei Freiburg zum ersten Forum Wirtschaft und Spiritualität ein. War die Zeit nun reif für diese kühne Vision? Das beeindruckend vielseitige Programm mit einigen sehr bekannten Rednern und interessanten, auch sehr praxisnahen Seminaren, weckte Neugier und Interesse. Etwa 240 Teilnehmende aus verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Beraterszene hatte es angesprochen.
In seiner Begrüßung und Eröffnungsansprache sprach Hans-Jürgen Lenz über das sich ändernde Verständnis von Spiritualität und das Bedürfnis nach Mitmenschlichkeit und Achtsamkeit auch im Berufsalltag. Dieser Kongress hatte sich vorgenommen, Brücken zu schlagen und Zugänge zu öffnen, für achtsame Räume und Verbundenheit in der Wirtschaft und Arbeitswelt.
Der erste Hauptredner des Kongresses, Prof. Dr. Claus Eurich, rüttelte die Teilnehmer mit seinem fundierten Vortrag ‘Aufstand für das Leben – Vision für eine lebenswerte Erde’ auf.
Unsere unreflektierten Denk- und Lebensgewohnheiten und unsere Wirtschaftsweise forcieren den Klimawandel und das Artensterben, wobei es immer offensichtlicher wird, wie wir auf eine ökologische Katastrophe zurasen. Es gibt starke Anzeichen dafür, dass der Tipping Point längst überschritten ist bzw. dass nicht mehr viel Zeit bleibt, um umzulenken. Eurichs Aufruf zu radikal ethischem Handeln, d.h. für die Würde des ganzen Lebens auf diesem Planeten einzutreten, hinterließ im Saal einen tiefen Eindruck.
Der nachfolgende Sprecher Thomas Hübl (‘Unsere tiefste Menschlichkeit ist unsere höchste Möglichkeit’) knüpfte an die noch spürbare Betroffenheit an und ermutigte dazu, die Innenwahrnehmung ernst zu nehmen. In einer Dialogübung (Diade) reflektierten die Teilnehmer paarweise darüber ‘Was ist von Claus Eurich’s Vortrag in mir gelandet und wie ist es gelandet?’ Hübl lenkte dann die Aufmerksamkeit darauf, dass wir in Begegnungen und Beziehungen eigentlich ineinander stattfinden: in der eigenen Gehirnaktivität erleben wir den anderen und die Welt. Wenn wir dabei Raum in uns machen, der ganz offen und frei ist, dann kann etwas ganz Neues entstehen. Wir erleben jedoch oft, wie schwierig es, ist wirklich präsent zu sein, denn innere Anteile von uns sind in der Vergangenheit festgefroren. Die Lösung ist Beziehungsfähigkeit, indem Wandlungsfähigkeit und Resonanzfähigkeit mit anderen in der Gegenwart eingeübt werden.
Die Kongresstage begannen morgens für viele Teilnehmer schon mit Achtsamkeitsübungen: Einladung zur Stille, Business-Yoga, meditativer Klangreise oder einem Raum der inneren Einheit.
Zum abendlichen Ausklang und gemeinsamen Entspannen gab es am ersten Abend die Gelegenheit, am 5-Rhythmen-Tanz teilzunehmen und an zwei Abenden Konzerte mit dem Buschorchester und dem Duett Gregor Hilbe und Hildegunn.
Der zweite Tag begann mit dem eindringlichen und informativen Vortrag über den Klimawandel und die Energiewende des bekannten Journalisten und Autors Dr. Franz Alt. Er zeigte sehr nachdrücklich auf, dass ein Wandel möglich ist, aber dass es den Willen dazu braucht. Aber dafür braucht es auch eine ‘Revolution des Mitgefühls und das ist die Revolution aller Revolutionen’, wie es der Dalai Lama ausgedrückt hat.
Anschließend ging es in fünf parallelen Vorträge und Dialogen direkt um praxisnahe, wirtschaftsbezogene Themen wie Grundlagen nachhaltiger Wirtschaftsführung, Machtmissbrauch in der Wirtschaft und Wege zur seelische Gesundheit.
Am Nachmittag hatten die Teilnehmer die Wahl zwischen fünf verschiedenen vertiefenden Workshops: Prof. Claus Eurich: Vision für eine lebenswerte Erde, Joachim Faulstich: die Weisheit innerer Bilder, Dr. Bertold Ulsamer: Arbeit und innere Erfüllung – Systemische Aufstellung als Unterstützung, Martin Bucher: Mitarbeiterführung mit Herz und Verstand. Gewaltfreie Kommunikation, Christian Maier: Spielraum für Wesentliches.
Der Nachmittag klang dann spielerischer aus, mit Loslassen üben beim Jonglieren, mit gemeinsamem Resümee, Integration und Begegnungsraum für Austausch.
Am Samstag, dem dritten Tag, konnte man zwischen zehn Fachvorträgen auswählen, wie ‘Die bewusste Organisation’, ‘Burnout – eine spirituelle Suche?’, ‘das Wesen des Geldes aus buddhistischer Sicht’, ‘Mitarbeiterführung auf Augenhöhe’ oder auch ‘Unternehmensentwicklung meets kollektives Trauma’. Am Nachmittag luden fünf spannende Workshops zu Begegnung und Austausch ein, z.B. ‘Die Wirtschaft ist weiblich. Was Unternehmen von Frauen lernen können’, ‘Integrale Aufstellungen zu Bewusstseinsstufen in der Wirtschaftswelt’ oder ‘Der innere Navi – Transrationales Denken als Schlüssel zu ganzheitlichem Erfolg’.
Am letzten Tag, dem Sonntag, wurde zu einer ‘Zukunftswerkstatt’ eingeladen und wirklich viele kamen. Die Kongressteilnehmer wurden eingeladen und herausgefordert, selbst Themen und Fragestellungen für Arbeitsgruppen vorzuschlagen und zu begründen. So kamen mehr als ein Dutzend Arbeitskreise zustande, die sich dann engagiert an die Arbeit machten, um in achtsamen Dialogen gemeinsam praxisnahe Handlungsoptionen zu entwerfen. In manchen Workshops bildeten sich dabei neue Netzwerke und es entstanden Ideen für weiterführende Projekte. Jede einzelne Gruppe präsentierte dann abschließend ihre erarbeiteten Ergebnisse vor dem Plenum und notierte ihre Stichworte auf große Pappwürfel, die auf der Podiumsbühne aufeinandergestapelt wurden. Diese Präsentation war dann doch schon etwas dicht und kompakt und hätte in ihrer Fülle sicher noch mehr Zeit und Gespräche verdient. Aber die Gespräche schwappten dann nach dem offiziellen Ende in die Flure und das Restaurant.
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