An diesem Wochenende findet in San Francisco die Wisdom 2.0 Konferenz statt, zum Thema „Schnittpunkte von Technologie und Weisheit“. Unter den Sprechern sind Meditationslehrer uind Visionäre wie Jack Kornfield, Byron Katie, Otto Scharmer und Jon Kabat-Zinn. evolve-Redakteurin und Ko-Autorin von „Mit Achtsamkeit in Führung“ Nadja Rosmann ist vor Ort und berichtet hier über ihre Eindrücke:
Mitgefühl ist keine Mode, sondern eine Mission – so könnte man den Impuls, den die Zen-Ikone Roshi Joan Halifax den Teilnehmern der Wisdom 2.0 Konferenz mit auf den Weg gab, beschreiben. „Mitgefühl ist eine gesunde, radikale, gemeinschaftliche Notwendigkeit“, so Halifax. Sie setzte mit ihrem Beitrag einen erfrischenden Kontrapunkt zur leichten, lebensfrohen Mindfulness-Euphorie der Konferenz. Ein essenzieller Punkt: Es gehe nicht allein darum, das eigene Innenleben zu kultivieren, sondern man solle auch mit dem eigenen Handeln einen Unterschied im Außen machen. Mitgefühl ohne Verkörperung und Engagement könne es schlicht nicht geben, denn ein Kern von Mitgefühl sei es, das Leiden in der Welt beenden zu wollen. In Anlehnung an ein Zitat des Dalai Lama – „Mitgefühl ist der Radikalismus unserer Zeit“ – wünschte sich die Zen-Meisterin von den Anwesenden: „Werden Sie radikal!“ Und diese Radikalität hat das eigene Wohlgefühl weniger auf der Agenda als das Wirken im Dienste von etwas Größerem: „Setzen Sie sich zu den Sterbenden, geben Sie die Heimatlosen etwas zu Essen, konsumieren Sie nicht zu viel, essen Sie kein Fleisch, bauen Sie Gemeinschaften auf und eine faire Ökonomie. Lassen Sie es nicht zu, dass die digitale Welt Ihren Geist komplett in Besitz nimmt“, so Halifax. Durchs Publikum ging ein Ruck, denn diese klare Ansage öffnete für einen Augenblick das Bewusstsein dafür, dass Achtsamkeit nicht nur Selbstzweck ist.
Im Spannungsfeld zwischen Meditations-Hype und „ernsthafter” Achtsamkeit erwies sich Jon Kabat-Zinn bei der Wisdom 2.0 Konferenz als wahrer Brückenbauer. Der praktizierende Buddhist und Begründer der Mindfulness-Based Stress Reduction eröffnete eine übergreifende Sichtweise, die zwischen den Vorwürfen einer McMindfullness, welche bisweilen den technologie-affinen Adepten aus dem Silicon Valley, aber auch Kabat-Zinn selbst von Traditionalisten entgegenschlagen, und der spirituellen Perspektive, die sich auf die großen Weisheitskulturen beruft, vermittelt. Konferenzen wie Wisdom 2.0 seien Ausdruck eines Hungers und einer Sehnsucht: „Wir sind als Spezies am Verhungern und wünschen uns sehnlichst authentische Erfahrungen. Und wir wissen, dass sich diese nicht durch Äußerlichkeiten herbeiführen lassen. Es geht nicht darum, etwas zu reparieren, das kaputt ist, sondern darum zu erkennen, dass nichts kaputt ist. Wir verändern mit Mindfulness den Standard-Modus unseres Hierseins.“ Für Kabat-Zinn geht es darum, das Menschsein mit all seinen Bedürfnissen anzuerkennen und wertzuschätzen, dass das Interesse an Mindfulness, gleich wie tief oder auch flach es sein mag, Ausdruck dieses Menschseins ist, das uns alle eint. Als Mediziner und in der buddhistischen Tradition ausgebildeter Meditationslehrer schätzt der dennoch die Differenzierung – und dies in Richtung der Traditionalisten wie der Innovatoren gleichermaßen. „Buddha war kein Buddhist“, so Kabat-Zinn schmunzelnd. Und dennoch könne der Dharma bis heute ein zentraler Wegweiser sein, sich nicht in unfundierten Hypes zu verlieren: „Letztlich hängt alles von unserem Willen ab, ernsthaft zu praktizieren.“ Gerade diese fokussierte, aber auch undogmatische Sichtweise bringt das, was Achtsamkeit bedeuten kann – und was vielleicht sogar ihr Wesen ist –, auf den Punkt. Sie ist nichts, was sich endgültig definieren oder greifen lässt, sondern sie entsteht immer nur durch unsere Wachheit. Präsenz kennt kein Richtig oder Falsch, kein Gut oder Schlecht, kein Echt oder Unecht. Sie ist. Und so bleibt nur die Frage: Wie wach bin ich gerade? Und was ist meine Intention?