Zwischen zwei Heiligenfeld-Kongressen
Teil 3: Inspiration aus dem gemeinsamen Wollen
Von Katharina Daniels und Viola Karczewski
Rund 60 Menschen begegneten sich im Mai 2019 bei unserem Workshop “Generationen im achtsamen Dialog” im Rahmen des Heiligenfeld-Kongresses “Achtsamkeit”. Sie begegneten sich im Dialog, in der zunehmend intensiveren Neugier aufeinander; sie hörten einander in hoher Konzentration und Zugewandtheit zu und sie entdeckten die weiche, die beseligende Freude des wechselseitigen Verstehens. Dieser Teil 3 ist der Nachlese gewidmet.
Wie ein intergenerationaler Austausch gelingen kann, das haben wir dort, alle gemeinsam, Teilnehmende und wir als Moderatoren, erlebt. Gemeinsam mit unserem Mitgestalter, dem Organisationsentwickler Benjamin Brockhaus (Jahrgang 1986), sind wir mit rund 60 Teilnehmern tief in den Dialog gegangen. Genauer gesagt: Wir haben die Impulse für Dialoge gesetzt, in die unsere Teilnehmer intensiv eingetaucht sind. In kleinen Gruppen, deren Reflexionsprozesse im Anschluss in die große Runde gespiegelt wurden und im zugewandten, wirklich zuhörenden Austausch auch im großen Kreis.
Im Dialog: “Bin ich dann überflüssig?”
Zwei große Fragenkomplexe öffneten Gesprächsräume:
• Welche Vorbehalte stehen zwischen den Generationen? Welche negativen Erfahrungen haben wir miteinander gemacht? Was verstehen wir voneinander nicht?
• Welche Szenarien für ein Miteinander stehen uns zur Verfügung? Welche positiven Erfahrungen haben wir miteinander gemacht?
Hier ein paar Ausrisse aus dort gewachsenen Erkenntnissen: Beginnen wir mit Vorbehalten, Barrieren und unschönen Begegnungen zwischen den Generationen. Was kam aus den Reihen der jungen Menschen im Kreis, zwischen etwa 20 bis Mitte 30? “Ältere machen dicht”, Ältere haben die Macht in Händen, auch finanziell”. Und umgekehrt – die Älteren? “Wir haben das Unternehmen aufgebaut, da ist eine Seele drin; das verstehen die Jungen nicht”. “Auch wenn wir vielleicht körperlich nicht mehr so können, wir sind geistig noch da, nehmt uns noch ernst!” Auch Ängste der Älteren zeigten sich: “Komme ich bald ans Ende meiner Schaffensperiode? Bin ich dann überflüssig?” Und das aufbegehrende Beharren, dass jeder Mensch einmal jung war: “Wir waren mal richtige Revoluzzer, dann wurden wir durch Machtstrukturen unterminiert”.
“Ich finde, wir brauchen mehr Solidarität untereinander.”
Nun zur bejahenden Sicht, zum Miteinander der Generationen – was kam von den jungen Menschen? “Wie wäre es mit einer Plattform, um die Leistungen Älterer sichtbar zu machen?” “Ich habe wirklich Respekt vor der Lebensleistung der Älteren”. “Die haben die längste Erfahrung und da auch am meisten zu sagen”. “Ich finde, wir brauchen mehr Solidarität untereinander. Wenn meine ältere Kollegin (Pflegefachkraft im Krankenhaus) den schweren Patienten nicht mehr so gut heben kann – natürlich helfe ich ihr dann ohne große Worte”. “Ich finde, alt sein ist keine Frage des biologischen Alters, sondern welche Haltung jemand hat, welches Bewusstsein”. Und umgekehrt – was sagen die Älteren, wie denken und wie handeln sie? “Ich muss als älterer Mensch nicht immer zu allem meine Meinung sagen”. “Augenhöhe mit den Jungen ist wichtig, anzuerkennen, dass nicht nur der Ältere kompetent ist”. “Wir haben für ein Unternehmen die gemeinsame Verantwortung, es ist unsere gemeinsame Baustelle”. “Ich muss auch bereit sein, zuzugeben, wenn ich als Älterer etwas falsch gemacht, wenn ich Schuld habe an einer bestimmten Entwicklung. Da haben wir Älteren sowieso das längere Sündenregister”. “Bloß, weil ich älter bin, weiß ich nicht immer alles besser”.
“Es ist wirklich inspirierend, wie einfach das sein kann – wenn wir nur wollen!”
Eine ältere Führungskraft in einem Unternehmen machte mit ihrer Erzählung eines beispielhaften reverse mentoring allen Teilnehmenden Mut für ein anerkennendes Miteinander. Ihr junger Kollege ist ein echter digital native, ein Feld, das ihr bislang eher Angst einflößte. Der junge Kollege aber macht sich nicht lustig über sie, sondern bietet ihr an, sie zu coachen. Umgekehrt nimmt sie sein Angebot gerne an und überträgt ihm Verantwortung und Entscheidungen für die digitale Entwicklung in diesem Unternehmen.
Was ist hier geschehen?
Hier wurde nicht das Rad neu erfunden, hier wurden unsere bestehenden Fähigkeiten konstruktiv angewandt, statt in alten Strukturen zu verharren. Hier haben wechselseitige Wertschätzung und Vertrauen ineinander zu einem Zusammenhalt geführt, zu einem wahrlich reifen Miteinander. Eine junge Teilnehmerin aus dem Kreis brachte es auf den Punkt: “ Es ist wirklich inspirierend, wie einfach das sein kann – wenn wir nur wollen”.
Teil 1 der Blog-Serie: Jugendbashing auf Tontafeln
Teil 2 der Blog-Serie: Jung, alt, Altertum – eine andere Sicht auf Generationen ….
Teil 4 der Serie: Permanent Digital Detox
Die Autorin Katharina Daniels, Jahrgang 1956, arbeitet als Kommunikationsberaterin für Unternehmen und als Publizistin. Die Autorin Viola Karczewski, Jahrgang 1988, ist Veränderungsbegleiterin für Transformationsprozesse, für Menschen im privaten Wandel und in Unternehmen. Beide entwickeln unter dem Dach der Verbundinitiative “authentisch anders. Kulturwandel in Unternehmen und Gesellschaft” ein Lern- und Erlebnis-Format für das Spannungsfeld “Generationen im Unternehmen”.