Für eine aufgeklärte Spiritualität in Deutschland
In den deutschen Mainstream-Medien wird oft ein großer Bogen um das Thema Spiritualität gemacht. Natürlich gibt es Berichte über die Krise der Kirche, die Hoffnungen auf den neuen Papst, wissenschaftliche Hinweise auf die Wirksamkeit von Meditation oder die Wiederkehr der Sinnfrage bei vielen Menschen. Aber das Thema und Wort Spiritualität wird gern unter New-Age-Aberglauben abgehakt, als ein merkwürdiger Zeitvertreib für gestresste Wohlstandsbürger. Oder aber es wird als Angriff auf den wissenschaftlich begründeten Materialismus gesehen. Diese Vorsicht bei dem Thema Spiritualität hat sicher viele Gründe. Einer liegt nach Meinung der Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Barbara von Meibom in unserer Vergangenheit, genauer dem Missbrauch spiritueller Ideen im Nationalsozialismus. Ihrer Ansicht nach ist es heute an der Zeit, diese Schatten der Vergangenheit zu lichten, damit wir der Welt mit unserem ganzen geistigen Potenzial zur Verfügung stehen können. In ihrem Buch Deutschlands Chance schreibt Barbara von Meibom:
“Immer mehr Deutsche öffnen sich der spirituellen und transzendenten Dimensionen unserer Existenz und der Frage, was diese für die Bewältigung unserer politischen Probleme zu bedeuten haben, doch im offiziellen Diskurs und in der veröffentlichten Meinung stehen immer noch pragmatischer Rigorismus und materialistische Leistungsorientierung im Vordergrund. Dies hat mit den Traumata zu tun, die der Nationalsozialismus spirituell-geistig hinterlassen hat. Der Höhepunkt dessen, was man psychologisch Abspaltung/Dissoziation nennt, ist jedoch überschritten. Die Zeit ist reif, um sich den Traumata zuzuwenden und sie zu heilen.
Damit Deutschland, die Deutschen und die deutsche Nation ein entspanntes Verhältnis zur eigenen Spiritualität gewinnen und eine mutige Stimme in der Welt sein können, die unser zivilisatorisches Projekt in eine lebensfördernde Richtung lenkt, brauchen wir die Rückbesinnung des Spirituellen, ohne dabei in romantisch-mythische oder esoterische Träumereien und Spinnereien zu verfallen. Wir brauchen eine aufgeklärte Spiritualität, die sich dem Leben zuwendet und sich – in der Vergewisserung einer einst verkitschten Tradition – dem Guten, Wahren, Schönen verpflichtet weiß. Wir brauchen eine Leistungsfähigkeit und Effizienz, die sich nicht von den Sinnfragen und der Herzintelligenz abkoppelt, sondern aus diesen ihre lebensdienliche Inspiration zieht. Nur so können wir unseren Beitrag leisten in einer gefährdeten Welt.”
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Barbara von Meibom ist Mit-Initiatorin der Konferenz “Aussöhnen mit Deutschland“, die vom 21. bis 23. März in Berlin stattfinden wird.