von Dr. Karsten Beuchert
Bekannt geworden ist Erwin Wagenhofer mit streitbaren Filmen wie „We Feed The World“, „Let’s Make Money“ und „Alphabet“, die vom Nicht-Funktionieren etablierter Systeme und fatalen gesellschaftlichen Entwicklungen in der Welt handeln. Mit seinem neuen Werk widmet er sich nun dem Positiven, in Form von gelebten Alternativen hin zum Schönen und Guten – „But Beautiful“ ist eine filmische Hommage an die Lebendigkeit, eine poetische Komposition von Schönheit und Ästhetik in Bildern und Klängen.
Aber was haben nun ein Jazz-Pianist, der Gedanken „nicht mag“, ein Förster, der Holz-Unternehmer geworden ist, ein Jazz-Trompeter, der „gar nicht so ein ultimatives Ziel hat“, ein Permakultur betreibendes Paar, das gerne Mist verschenkt, eine Latin-Jazz-Sängerin, die vom Respekt vor anderen Menschen spricht, ein College-Gründer, der Squash-Meister war und eine Abneigung gegen Diplome hat – was haben alle diese Menschen miteinander zu tun?
Und was mit dem Dalai Lama und seiner Schwester?
Es ist handwerklich gut gemacht, dass der Film „But Beautiful“ diese Frage lange „in der Schwebe“ hält – bis es sich erschließt, dass es für das große gemeinsame Ziel einer zukunftsfähigen Welt beides braucht, zum einen die „kleinen Initiativen“, die lokal wirken und in ihren Umfeldern nachvollziehbare Beispiele dieser zukunftsfähigen Welt etablieren, zum anderen die großen Visionen, welche die gesamte Welt und ihre Zukunftsfähigkeit in den Fokus nehmen. Es kann nicht sein, dass das eine oder das andere gut ist – es ist gut, wenn beide Perspektiven zu einer zukunftsfähigen Welt zusammenspielen und zusammenwirken.
Für die weite Perspektive und Vision steht zum einen der Dalai Lama, der von der Brüderlichkeit der gesamten Menschheit jenseits aller Konfessionen spricht – und der dem Vernehmen nach ein zufälliger Glücksfall für diesen Film darstellt (weil er ursprünglich nicht eingeplant war). Und es ist sehr gut, dass er im Film für die weiten Visionen nicht allein einstehen muss, sondern dass die kolumbische Sängerin Lucia Pulido aus ihrer völlig anderen Perspektive ähnliche Visionen formuliert, die sich mit denen des Dalai Lama wohltuend verbinden und ergänzen. Und eben auch mit den vorgestellten eher lokalen Projekten, in denen die globale Vision konkret vor Ort lebendig werden kann – und wird.
Es ist insgesamt wohltuend, wie sich in „But Beautiful“ die Aussagen von Frauen und Männern zu einem stimmigen Ganzen verbinden, wie sie gemeinsam die Vision einer zukunftsfähigen Welt aufbauen.
„Die Frauen werden es sein, die der Welt Veränderung bringen.“, darf Bunker Roy vom Barefoot College (als Mann) dennoch formulieren. Der Satz polarisiert. Aber soziologische Studien scheinen tatsächlich nachzuweisen, dass der nachhaltigste Erfolg gesellschaftlicher Transformation erzielt werden kann, wenn zunächst die beteiligten Frauen auf sozial ausgerichtete Weise eigenständig und wirkmächtig werden – wie eben die im Barefoot College ausgebildeten „Solar Mamas“.
Es gibt im Verlauf des Films tatsächlich Irritationen, die nur zum Teil wieder aufgelöst werden. An einigen Stellen der Interviews wird deutlich, wie subtil sich das ansozialisierte kategoriale Denken selbst in die Aussagen von Menschen einschleichen kann, die auf der Suche nach verbindenden lebensfreundlichen Alternativen sind. Und wenn bereits im Intro des Films die Wurzel für die Übel in der Welt in „den Gedanken“ gefunden wird, dann setzt dies leider ein wertendes Priming, das quasi den gesamten Film über bestehen bleibt. Umso wichtiger scheint es, sich immer wieder den Leitsatz (und Filmtitel) zu vergegenwärtigen, der später im Film vom Dalai Lama wörtlich formuliert wird: „Nichts existiert unabhängig“.
Erwin Wagenhofer spricht im Interview von dem Mut, einen Film über das Schöne zu machen. Der Mut hat sich gelohnt. Entstanden ist ein Film über Menschen, die so gut wie ohne Angst mögliche Lebensalternativen erforschen und neue Wege beschreiten, über Verbundenheit in Musik, Natur und Gesellschaft, und über ein großes gemeinsames Ziel: eine zukunftsfähige Welt. „But Beautiful “ ist insgesamt ein stimmig komponierter, und auch ein sehr sehens- und bedenkenswerter Film – ein Film, dem ich ein Publikum wünsche, das nicht spätestens beim Verlassen des Kinos zurückfällt in die Illusion von einsamer Getrenntheit. Sondern ein Publikum, das sich berühren und inspirieren lässt, die jeweils eigene Kreativität und Wirksamkeit zu finden und zu kultivieren, für die Verbundenheit, die Thema des Films ist, für ein gemeinsames Ziel einer zukunftsfähigen Welt, sei es in großen und weiten Visionen, sei es in lokal gelebten Beispielen.
Alles wird gut? Wer weiß. Aber alles kann gut werden, wenn sich mehr und mehr lebensförderliche Initiativen vernetzen und verweben. Indem reale gelungene Beispiele gezeigt werden, öffnet die Poesie von „But Beautiful“ die hoffnungsvolle Perspektive einer verbundenen und zukunftsfähigen Welt.
„Nichts existiert unabhängig“, sagt der Dalai Lama.