Frankreich, Griechenland, Spanien: Sehen wir eine Renaissance der Linken?
John Bunzl
Mit Podemos, der spanischen Links-Bewegung gegen Sparauflagen, die dramatische Gewinne in den lokalen und regionalen Wahlen erreichte, scheinen quer durch Europa linke Parteien wieder auf dem Vormarsch zu sein. Frankreich hat zuerst der wirtschaftsfreundlichen Politik der rechten Mitte eine Absage erteilt, als Francois Hollande 2012 zum Präsidenten gewählt wurde. Griechenland folgte dann zu Beginn dieses Jahres mit der extrem linken Syriza-Partei, und jetzt sieht es aus, als würde Podemos folgen, wobei sie bei den nationalen Wahlen in Spanien im Dezember noch größere Zuwächse erreichen könnte.
Aber ist das eine echte Renaissance; eine Renaissance mit Substanz? Als Hollande gewählt wurde, hatten die Linken Frankreichs große Hoffnungen. Was jedoch passierte, lieferte eine ernüchternde Lektion. Die Times berichtete, „nach 18 Monaten der Stagnation unter der sozialistischen Regierung bestätigte [Hollande], dass er sich in Richtung der marktfreundlichen Politik bewegte, die im Laufe der vergangenen 15 Jahre durch die linken Parteien in Deutschland, Großbritannien und anderswo übernommen wurde.“
Hollande stellte fest, dass in der heutigen globalisierten Welt kein nationaler Regierungschef Steuern oder Regelungen für Reiche oder Unternehmen signifikant anheben kann, ohne dass diese einfach mit einem Umzug reagieren – oder es wenigstens androhen. Die potenzielle Flucht des Kapitals und der Jobs unterminiert die linke Politik nicht nur, sondern macht sie quasi unmöglich. Anders gesagt, kein nationaler Regierungschef kann die absolute Notwendigkeit des Erhalts der internationalen ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit ignorieren. Wer es versucht, wird vom internationalen Wettbewerb der globalen Märkte umgehend gezwungen, seine Absichten zurückzunehmen. So viel zu dieser vermeintlichen Renaissance.
Die französische Erfahrung sollte bei den Linken anderswo Zweifel aufwerfen, ob Wahlen in Spanien, Griechenland oder wo auch immer ihre Hoffnungen erfüllen. Die Tatsache, dass Märkte global sind, macht es unwahrscheinlich, dass irgendeine linke Regierung diesen Weg auf längere Sicht gehen kann. Das ist eine Lektion, die die Linken in Großbritannien ebenfalls lernen.
In Griechenland bleiben die Hoffnungen der Linken hoch. Was wird jedoch übrig bleiben, wenn die schwierigen Verhandlungen um den Rettungsfonds und die Sparmaßnahmen zu Ende sind? Entweder wird Syriza mit weitgreifenden unternehmensfreundlichen Marktreformen einverstanden sein müssen, und so diejenigen betrügen, die sie gewählt haben, oder Griechenland wird aus dem Euro aussteigen und sich in einer noch schlechteren Situation wiederfinden. So oder so wird das Volk enttäuscht sein. So ziemlich das gleiche Ergebnis können wir erwarten, wenn Podemos in Spanien die Regierung übernimmt.
Ich verwende absichtlich die Worte „Regierung übernehmen“. Das soll klar stellen, dass die Übernahme der Regierung nicht bedeutet, die Macht zu gewinnen. Denn die Macht von Regierungen wird heute nicht durch Wahlpräferenzen, sondern die Anforderungen des Marktes bestimmt. Die Notwendigkeit für alle Regierungen, ihre Volkswirtschaften „international wettbewerbsfähig“ zu halten, schließt eine linke Politik weitgehend aus. So verwandelt sich die Demokratie in eine „Mockracy“, eine Pseudo-Demokratie – eine Wahl, die gar keine ist, denn man kann irgendeine Partei ins Amt wählen aber die Politik bleibt im Grunde die gleiche. Kein Wunder, dass Wähler überall auf der Welt unzufrieden sind und von Politik die Nase voll haben.
Der einzige Trost für die Linken ist, dass diese Pseudo-Demokratie auch die nationalistischen Vorhaben der extremen Rechten einschränken. Kein Land kann sich isolieren, weil die Märkte offene Grenzen und billige Arbeitskräfte brauchen. Nationalistische Parteien, die nationale Grenzen abschotten wollen, können damit rechnen, dass Unternehmen mit Abwanderung drohen, und müssen deshalb versuchen, ihre Wähler auf die unternehmensfreundliche „Wettbewerbsschiene“ zu ziehen. Aber auch diese Wähler werden enttäuscht. In dem Ausmaß, wie wir und unsere Politiker keine Alternative zur Wettbewerbsagenda sehen, beginnen wir wahrzunehmen, dass wir alle subtil und ohne es zu wissen fremdbestimmt sind. Die Politik der freien Marktwirtschaft der rechten Mitte wurde fast unmerklich zu unserer Politik. Für jede Nation ist es entscheidend wichtig, international wettbewerbsfähig zu bleiben. Und wir wissen, dass unser eigener ökonomischer Wohlstand davon abhängig ist, deshalb spielen wir mit: Wir sind gefügige Drohnen des globalen Marktes. Wir mögen denken, dass wir in demokratischen Ländern leben und die Freiheit haben, die Partei und die Politik unserer Vorstellung zu wählen. Aber wir hängen der Illusion an, dass eine Partei, wenn sie an die Regierung kommt, auch mit Macht ausgestattet ist. Wie Fische sehen wir nicht den Whirlpool des internationalen Wettbewerbs, in dem wir und unsere Politiker schwimmen und von dem wir geformt werden.
Wir müssen anerkennen, dass nationale Ansätze in Griechenland, Spanien, England oder anderswo in einer globalen Welt nicht funktionieren werden, weil die nationale Demokratie eine Pseudo-Demokratie geworden ist. Deshalb brauchen wir einen neuen globalen politischen Ansatz, der nicht nur parteipolitische Unterschiede und nationale Grenzen überschreitet, sondern auch den Whirlpool der internationalen Wettbewerbsfähigkeit neutralisieren kann. Erst dann können wir und die von uns gewählten Regierungen wieder frei schwimmen. Wenn es eine politische Renaissance geben soll, dann wird sie nicht durch eine Veränderung der Regierung in einzelnen Ländern geschehen, sondern durch eine Transformation der globalen Gewässer, in denen wir schwimmen.
John Bunzl ist Gründer der globalen Politik-Initiative „Simpol“ (Simultanpolitik).